zurück

    Germania holte die 1.Deutsche Meisterschaft in die Reichshauptstadt

    Berliner Dominanz in der Frühzeit des Wasserballs
    Von Dr. Günter Schwill

    .
    Die Vereinsfahne des Berliner Schwimm Clubs GERMANIA
    in den Gründungsfarben „schwarz-rot-gold“

    Auf dem 25.Verbandstag des DSV 1911 in Magdeburg wurde das Startsignal für eine Deutsche Wasserball-Meisterschaft gegeben. Ein Antrag aus Berlin fand eine ausreichende Mehrheit. Folgende Kreismeister bewarben sich bis zum Meldeschluß im Sommer 1911 um den neuen Titel:

    Kreis I: BSC Germania Berlin
    Kreis III: SC Magdeburg 96
    Kreis V: Schwimmerbund Schwaben Stuttgart
    Kreis IX: SC Amateur Duisburg

    Gespielt wurde nach den englischen Wasserballregeln, die gerade vom internationalen Kongreß in Brüssel für verbindlich erklärt und am 26.1.1911 im Amtsblatt "Der deutsche Schwimmer" veröffentlicht wurden.

    Die Germanen zogen mit einem überlegenen 10:1 (4:0) gegen SC Magdeburg 96 ins erste Meisterschaftsfinale ein. Die Magdeburger Vereinsnachrichten anerkannten die Überlegenheit der Germanen, "denen das 


    Das Charlottenburger Stadtbad -
    Austragungsort der 1. Deutschen Meisterschaft

    Wasserballspiel Spezialität ist und die deshalb in Deutschland bis jetzt keinen ebenbürtigen Gegner haben." Selbst Deutschlands Sprinterkönig und mehrfacher Weltrekordler Oskar Schiele konnte für Magdeburg nicht mehr als den Ehrentreffer erzielen. Noch einmal die Magdeburger Clubnachrichten:
    "Oskar Schiele kommt öfter zum Schuß und zielt stets dahin, wo sich die einzige Möglichkeit für ein Durchschlüpfen des Balles bietet, in die Ecke der Tore. Aber von den vielen Würfen, die alle ohne Ausnahme brillant ausgeführt werden, gelingt ihm nur ein einziger! Aber was nützt dieses Waisenkind gegen so viele!"
    Der Titel geht nach Berlin

    Das Finale bestritt Germania gegen den süddeutschen Meister Schwaben Stuttgart. Austragungsort war das Charlottenburger Stadtbad, Termin der 8.April 1912, der Ostermontag. Das erste Meisterschaftstor überhaupt erzielte Schneefuß für Stuttgart, doch dann drückte Germania und gewann dieses Spiel mit 4:2 (3:2) durch drei Tore 


    Der Sieger- Ehrenpreis
      

    von Willy Beeken und einen Treffer von Max Rother und ist damit erster Deutscher Wasserballmeister.

    Der Siegerpreis: eine 5 cm große Silbermedaille an einer Schleife in Landesfarben. Auf der Vorderansicht der Medaille ist eine Wasserballszene dargestellt, auf der Rückseite steht eingraviert: "Deutscher Schwimm-Verband. Den Siegern in der Meisterschaft von Deutschland im Wasserballspiel 1912. 7./8.IV.12 Berlin".
     
    Die Sieger: Robert Ullrich (Tor), Dessau und Max Noack (Verteidigung), Max Grothe (Verbindung), Willy Beeken, Max Rother, Haubold (Sturm). Trainer: Karl Heinke, 1.Vorsitzender: Franz Kupsch.


    Das Nachspiel

    Weniger die Qualität der Premierenveranstaltung als vielmehr die lauten Proteste der unterlegenen Schwaben und die wochenlang anhaltende Pressekampagne gegen den Spielverlauf hatten Farbe in das neue Spiel in Deutschland gebracht. Der Stuttgarter Spielführer Walter Schneefuß handelte sich wegen verbandsschädigenden Verhaltens eine halbjährige Startsperre für seine beleidigenden Ausführungen in den Vereinsnachrichten der Schwaben ein. Es war dort zu lesen: "Der Schiedsrichter war dem Spiel in keiner Weise gewachsen. Ganz abgesehen davon, daß derselbe 
    die  Regeln nicht beherrschte und sich grobe 


    GERMANIA, die Meistermannschaft

    (stehend v.l.: Haubold, der 1.Vorsitzende Franz Kupsch, Max Grothe, sitzend v.l.: Max Noack, Dessau, Willy Beeken, Max Rother, vorn: Torwart Robert Ullrich)

    Verstöße gegen dieselben zu Schulden kommen ließ, wurde er zum Schluß des Spiels noch das Werkzeug des lieben Publikums und alles, nur kein Vorbild für einen Schiedsrichter im Wasserballspiel."

    Der Schiedsrichter war übrigens der Schwimmwart des Deutschen Schwimm-Verbandes, Fritz Droemer vom Schöneberger SV. Er war der Verfasser des deutschen Wasserball-Regelbuches!

    Immerhin erreichte der Süddeutsche Meister, der seine Schnelligkeit in der kleinen Charlottenburger Halle nicht wirkungsvoll genug einsetzen konnte, eine Verlegung der kommenden Meisterschaft für 1913 in ein Freibad in Kassel.
      


    Deutsche Meisterschaft 1913 in Kassel
    Blick auf die Wettkampfstätte

    Auch die 2.Meisterschaft fällt an Germania

    Im August 1913 stehen sich erneut die beiden Endspielgegner des letzten Jahres im Finale, diesmal in Kassel, gegenüber. Die Germanen haben umgestellt, mit Georg Nagel Berlins schnellsten Sprinter in die Mannschaft genommen, mit Paul Schiele einen brandgefährlichen Rückhandwurfspezialisten und mit Karl Wutzki einen knochenharten Verteidiger eingebaut. Torwart Ullrich, Rother, Noack und Beeken sind bewährte Kräfte des Vorjahres. Germania verteidigt seinen Titel ganz überlegen mit einem 5:2-Erfolg gegen Schwaben Stuttgart.


      
    Stuttgart, in der Aufstellung mit Reuff (Tor), Haug, Strobel, Bonenberger, Stickel, Schneefuß und Klemm, hatte sich nur äußerst mühsam am Vorabend durch einen knappen 1:0-Sieg gegen Neptun Hannover-Linden für das Finale qualifiziert, während Germania mühelos den Nordmeister Aegir Hamburg 5:2 (3:1) ausschalten konnte.

    Höhere Gewalt verhindert 3.Germanen-Erfolg

    1914 ist Germania Berlin wieder für das Finale qualifiziert. Der schlesische Kreismeister Borussia/Silesia Breslau verzichtete auf die weite Reise nach Berlin für das Halbfinale gegen einen übermächtigen Gegner. 
    Die Mannschaften des zweiten Halbfinales sind Neptun Hannover-Linden und der 1.Frankfurter SC. Gespielt werden sollte auf dem Verbandsfest Mitte August in Mainz. Da
    bricht am 1.August 1914 der Weltkrieg aus. Die kaiserliche Mobilmachungsorder verbietet jeden weiteren Sportbetrieb und ruft die Männer zu den Waffen. Für 


    Schwimmerbund Schwaben Stuttgart – der Herausforderer
    Vorn v.l.: Carl Stickel, Walter Schneefuß (Spielführer), Max Schneefuß, 
    hintere Reihe v.l.:Heinrich Hornung, Ernst Haug, Erwin Reuff (Torwart), Carl Bonenberger 

    Jahre unterbrochen wird die gerade begonnene Deutsche Meisterschaft.

    Das gewaltige Stadionbad im Grunewald, vorgesehen als Austragungsstätte der VI.Olympischen Spiele 1916 in Berlin, wird die Jugend der Welt nicht erleben. Sie wird
    erst 1928 (!) in Holland wieder vollständig zusammengeführt. 

    Der deutsche Wasserball-Olympiasieg dort zu Amsterdam aber ist eine neue Geschichte. Germanen nehmen daran nicht mehr teil.


    Das Berliner Grunewald-Stadion mit einer 100m-Schwimmbahn

    Ein Rückblick
    Der Vorlauf der Germania bis zur ersten Deutschen Meisterschaft

    Ab 1905 beherrschte der Berliner Schwimm Club Germania für mehr als eineinhalb Jahrzehnte die Disziplin Wasserball in Deutschland, fast vergleichbar mit der heutigen Dominanz der "Wasserfreunde Spandau 04".


    Training in der Baerwaldstrasse

    Die ersten Wasserballspiele bei den Germanen fanden im Olympiajahr 1900 statt. Drei Jahre lang gab es fast nur Niederlagen, doch dann war die Mannschaft so gestärkt, daß sie um die Spitze mitspielen konnte. Das benachbarte neue Hallenbad in der Baerwaldstraße förderte die Trainingsmöglichkeiten der Germanen beträchtlich. Der erste große Erfolg stellte sich 1905 ein, als gegen den über Jahre hin unbesiegbaren Reinickendorfer SC bei einem Turnier in 


    Der „Barrikaden-Lappen“ –
    die erste Vereinsfahne des BSC Germania



    Germanias „Farbenwechsel“
    Zum fünfjährigen Bestehen erfolgte der Farbenwechsel zu „Schwarz-Gelb“, ein politischer Kompromiß an die damalige Zeit. In der das Fahnentuch umgebenden Kokarde jedoch sind die ursprünglichen Gründungsfarben bewahrt worden.

    Potsdam 2:0 gesiegt wurde. Der Gegner war über die starke Konkurrenz so verärgert, daß er vorzeitig das Wasser verließ. Von 1907 an sicherte sich Germania regelmäßig die Kreismeisterschaft, den regionalen Vergleich der Berliner und der Brandenburger Vereine, die alle dem Kreis I von Deutschland zugeordnet waren. Zu diesen Meisterschaften wäre es aber aus politischen Gründen beinahe nicht gekommen.

    Keine Anerkennung des "Barrikaden-Lappens"

    Die Gründung der Germania fiel in das Jahr 1887. Für die Vereinsfahne wurden die Farben "schwarz-rot-gold" gewählt, unter denen schon die Jenenser Burschenschaft "Germania" im Jahr 1817 ins Leben gerufen wurde: Symbol für Freiheit und nationale Einheit in der nach-Schwarz-rot-gold waren auch die Farben der Märzrevolution 1848 in Berlin, als das Warten auf den liberalen Verfassungsstaat ohne Hoffnung geblieben war. Nach schweren Barrikaden-Kämpfen mit zahlreichen Opfern konnte König Friedrich-Wilhelm IV die städtische Ordnung erst wiederherstellen, als er mit schwarz-rot-goldener Binde einen symbolischen "Umritt" unternahm und den gefallenen Barrikadenkämpfern seine Ehrerbietung erwies.

    Als Germania nur wenige Jahre nach seiner Gründung 1887 die Aufnahme in den Deutschen Schwimm-Verband beantragte, hieß die Antwort des damaligen mächtigen Verbandsführers Otto Lindner aus Breslau: "Nicht mit diesem Barrikaden-Lappen!" Er dachte ausschließlich kaisertreu in schwarz-weiß-rot. 
    Germania beugte sich. Unter dem Vorsitz von Oskar Lißmann wurde eine neue Vereinsfahne mit den Farben schwarz und gelb entworfen, die Kaiserfarben. Nun war der Weg frei für die Mitgliedschaft im Deutschen Schwimm-Verband, dem der Verein mit seinen Erfolgen später zur Ehre gereichen sollte.
    Der Kronprinzen-Pokal

    Eine weitere politische Erschütterung traf den Verein 1905. Kronprinz Wilhelm stiftete dem Berliner Schwimmerbund einen wertvollen Wasserballpokal. Die Freude darüber aber war nicht ungeteilt. Die Sorge, hierdurch zu einem reinen "vaterländischen Denken" verpflichtet zu werden, ließ 15 "Germanen" aus dem Verein austreten, der sich mehrheitlich für Wettkämpfe um diesen Pokal ausgesprochen hatte.

    1908 gewann Germania gegen den Wiener Athletik-Sportklub, eine führende kontinentale Mannschaft jener Zeit, den Kronprinzen-Preis, der Jahre zuvor so viele personelle Opfer gekostet hatte, mit 5:3.
    1910 verteidigte Germania den Pokal gegen Favorite Hamburg mit 10:1.

    Ein dritter Erfolg und damit der endgültige Gewinn des Kronprinzen-Pokals war für 1912 geplant. Der ungarische Meister Ferencvaros Budapest hatte der Germania seine Zusage zum Internationalen Jubiläums-Wettschwimmen gegeben. Der "F.T.C.", wie der Verein in der Schwimmerwelt hieß, verfügte über eine kampferprobte Mannschaft, die gerade mehrere Spieler zu den Olympischen Spielen im Sommer 1912 nach Stockholm entsandt hatte.
    Doch die Ungarn mußten kurzfristig "infolge der militärischen Lage auf dem Balkan" ihre Meldung zurückziehen. Ein erstes Donnergrollen durchzog im Oktober 1912 den 
    internationalen Sportbetrieb!
    Triton Berlin sprang ein. Das Ergebnis: 9:0 (5:0) für Germania. Der Kronprinzen-Pokal war zwar endgültig gewonnen, ein wenig aber fehlte der internationale Glanz, den sich Germania als erster Deutscher Meister dieses Jahres gewünscht hätte.


    Das Ende einer Ära
    Germanias Wiederbeginn 1919 - Zurufe aus dem Wasser


    Erich Große, selbst alter Germane, schrieb in den alten Clubnachrichten: 
    "Zum Halbfinale der ersten Nachkriegsmeisterschaft 1919 in Magdeburg mußte Germania
    gegen den Neuen Leipziger SV antreten. Die Verkehrsverhältnisse im Nachkriegsdeutschland waren mangelhaft, lediglich ein Zug ging von Berlin nach Magdeburg, der 90 Minuten vor Spielbeginn ankam. Nur wenige elektrische Straßenbahnen standen am Bahnhof, keine aber fuhr zur Kampfstätte am Alten Festungsgraben. An Taxen war nicht zu denken. Also: laufen!
    Wir kamen müde an und wurden auch noch energisch zur Eile ermahnt. Noch fünf Minuten bis zum Anpfiff. Doch Verteidiger Karl Wutzki fehlte. Hatte er sich verlaufen? Jetzt stand die Mannschaft nur mit sechs Mann da. Ein Ersatzspieler aus der 3. Mannschaft mußte einspringen.
    Das Spiel hatte begonnen, da kam Wutzki angerannt und fragte, ob er sich noch ausziehen solle. Aber die Regeln erlaubten kein Auswechseln. Die Zurufe aus dem Wasser waren nicht druckreif, Karl Wutzki, der Deutsche Meister von 1913, verschwand auf Nimmerwiedersehen. Ein guter Sportsmann und Kamerad weniger im Verein!"


    Germania Berlin, seit über 7 Jahren Deutscher Meister, verlor ersatzgeschwächt das Halbfinalspiel gegen Leipzig und schied aus.


    Die beiden letzten Kreismeisterschaften

    1920 dominierte Germania Berlin noch einmal im Kreis I. Bei den Spielen zur Deutschen Meisterschaft wurde der Nordmeister Aegir-Alster aus Hamburg 6:4 bezwungen. Aus der Runde der letzten Vier jedoch schied Germania kampflos aus, fehlte das Fahrgeld zum Verbandsfest nach Darmstadt?

    1921 stand der Wachwechsel durch Spandau 04 in Berlin bevor. Im Endspiel jedoch entschied noch einmal die Routine zu Gunsten der "alten Germanen", die einen 0:1-Halbzeitrückstand noch in einen knappen 2:1 Erfolg wenden konnten. Aber die Havelstädter, die in den nächsten Jahren Berlins Nummer 1 werden sollten, machten schon auf sich aufmerksam. In ihren Reihen spielte der ewig-junge Paul Kellner, der 1912 von den Olympischen Spielen in Stockholm mit einer Bronzemedaille im Rückenschwimmen heimgekehrt war.
    Der Stern der Germanen, der seit 1905 geleuchtet hatte, ging endgültig im Vorrundenspiel zur Deutschen Meisterschaft gegen Stern Hamburg mit 1:2 unter.


    3.500 Goldmark Verlust

    Nach dem Inflationsjahr 1923 wurde im Sommer 1924 von Germania eine große "Internationale Wasserball - Werbewoche" veranstaltet mit dem Ziel, die deutsche Spitze zurückzuerobern, die inzwischen Wasserfreunde 


    Die alte Garde der Germania 1924

    Hannover und Hellas Magdeburg besetzten.
    Der Wiener AC war am Start, dazu Spandau 04 und Schwimm-Union Neukölln, Halle , Mannheim, Chemnitz, Spindlersfeld und vor allem Hellas Magdeburg mit dem Weltrekordler und späteren Olympiasieger Ete Rademacher im Tor.
    Auch der Frauen-Wasserball wurde vorgestellt, den die Schwimm-Union Neukölln, Spandau 04 und Poseidon Dresden bereits pflegten. Die Endkämpfe im Seebad Mariendorf zu Pfingsten brachten prächtige Kämpfe, aber für den Veranstalter Germania entstand ein finanzielles Fiasko, das mit einem Fehlbetrag von 3.500 Goldmark endete.
    Das Berliner Flaggschiff des Wasserballsports, "Germania" tauchte endgültig unter, doch die Berliner Wasserball-Pioniere aus Kreuzberg hatten eine Entwicklung eingeleitet, die Nachfolger fand und deren überragende Vertreter heute die "Wasserfreunde Spandau 04" sind. 
    DGS
    © Dr. Günter Schwill
     
    SeitenanfangSeitenanfang